Die Kindergrundsicherung hat den unwiderstehlichen Charme des take-it-easy – aber was bedeutet sie für die Freiheit von Familien?

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Kindergeld, Kinderfreibeträge, Kinderzuschlag, Bildungs- und Teilhabepaket: Die Leistungen und Steuervorteile für Familien sind vielfältig und bleiben dennoch meistens unübersichtlich. Die Kindergrundsicherung soll hier Abhilfe schaffen. Sie sieht nur noch einen monatlichen Fixbetrag für jedes Kind vor. Linke und Grüne fordern die Kindergrundsicherung schon länger. Und auch die SPD will bis Ende des Jahres ein Konzept entwickeln. Eine Kindergrundsicherung, die alle kindbezogenen Leistungen zusammenfasst, müsste monatlich rund 635 Euro betragen. Das entspricht mehr als dem dreifachen zu den 204 Euro, die Familien ab 1. Juli 2019 für das erste und zweite Kind erhalten werden. Gemessen an den homöopathischen Erhöhungen des Kindergeldes in der Vergangenheit, würde mit einer Kindergrundsicherung die Finanzierung von Kindern auf neue Füße gestellt werden. Gut so! Davon würden mehr Familien profitieren.

Was zunächst großzügig wirkt, wäre ohne Abstriche an anderer Stelle jedoch nicht zu bekommen. Ändern würde sich auch der Anspruchsberechtigte: Nicht mehr den Eltern würde das Geld rechtlich zustehen, sondern den Kindern. Eltern wären nur noch Bevollmächtige ihrer Kinder für die Verwendung des Geldes. Das Einfache und Übersichtliche einer Kindergrundsicherung würde die Differenzierungen und Graustufen der heutigen Familienförderung auflösen. Der Blick auf die individuelle Bedürftigkeit von Familien würde fehlen. Ist das in jedem Fall ein Gewinn? Profitieren würden von einer Kindergrundsicherung vor allem auch Alleinerziehende, weil das Geld für die Kinder nicht mehr zwischen den Eltern aufgeteilt werden müsste. Es würde ohnehin dem Kind zustehen. Das wäre sicher ein Fortschritt. Und für alle anderen? Sie müssten womöglich damit leben, dass trotz familialer Vielfalt die individuellen Lebensumstände von Familien kaum noch berücksichtigt würden. Man mag lachen: Aber durch die Kindergrundsicherung könnte nicht weniger unter Druck geraten als die Freiheit der Familie. Darüber sollten wir reden.     

Ulrich Hoffmann,
Präsident des Familienbundes der Katholiken