Stellungnahme des Familienbundes der Katholiken

· Stellungnahmen

zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur steuerlichen Entlastung von Familien sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen (Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen vom 30. Juni 2020)

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I. Einleitung

Am 30. Juni 2020 hat das Bundesministerium der Finanzen einen „Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur steuerlichen Entlastung von Familien sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen“ vorgelegt. Der Gesetzentwurf sieht eine Erhöhung des Kindergeldes um 15 Euro pro Kind und Monat und eine entsprechende Erhöhung des Kinderfreibetrages vor. Damit setzt es den noch ausstehenden zweiten Teil der folgenden Vereinbarung des aktuellen Koalitionsvertrages um: „Das Kindergeld als bewährte und wirksame familienpolitische Leistung werden wir in dieser Legislaturperiode pro Kind um 25 Euro pro Monat erhöhen – in zwei Teilschritten (zum 1. Juli 2019 um zehn Euro, zum 1. Januar 2021 um weitere 15 Euro). Gleichzeitig steigt der steuerliche Kinderfreibetrag entsprechend.“ Der Gesetzentwurf hat sich auch vorgenommen, die kalte Progression für die Jahre 2021 und 2022 zu beseitigen.

Für das Kindergeld und den Gesamtkinderfreibetrag (inkl. Betreuung, Erziehung, Ausbildung) ergeben sich nach dem Entwurf folgende Werte:

 

Kindergeld

1. Kind

(pro Monat)

Kindergeld

2. Kind

(pro Monat)

Kindergeld

3. Kind

(pro Monat)

Kindergeld

ab dem 4. Kind (pro Monat)

Kinderfreibetrag

 

(pro Jahr)

 

219 €

 

derzeit: 204 €

 

219 €

 

derzeit: 204 €

 

225 €

 

derzeit: 210 €

 

250 €

 

derzeit: 235 €

 

8.388 €

 

derzeit: 7.812 €

 

II. Kindergeld

Der Familienbund der Katholiken begrüßt die geplante Kindergelderhöhung. Die Anhebung des Kindergeldes um 15 Euro – und in dieser Legislaturperiode insgesamt um 25 Euro – ist eine für die Familien spürbare Erhöhung, die zur Entlastung der Familien beiträgt. Nachdem der Gesetzgeber im Jahr 2018 nur den ersten Teil der oben genannten Vereinbarung umgesetzt hat, war zu befürchten, dass die geplante zweite Kindergelderhöhung ausfallen könnte. Der Familienbund hält es für zentral, dass der Gesetzgeber die Corona-Pandemie nicht zum Anlass nimmt, von dem den Familien im Koalitionsvertrag gegebenen Versprechen Abstand zu nehmen. Fiele die zweite Stufe der Kindergelderhöhung aus, würde der Gesetzgeber die familienbezogenen Komponenten des Konjunkturpakets vom 3. Juni 2020 konterkarieren. Gerade jetzt in Zeiten der Coronakrise ist es wichtig, ein Signal an alle Familien zu senden und alle Familien zu unterstützen. Denn die Familien leisten derzeit während der starken Einschränkungen des Kita- und Schulbetriebs Außerordentliches. Viele Familien sind an der Grenze des Möglichen.

Die Erhöhung des Kindergeldes ist auch deswegen wichtig, weil es sich beim Kindergeld um die zentrale Leistung des Familienlasten- und -leistungsausgleichs handelt. Das Kindergeld ist bei den Familien sehr beliebt. 87 Prozent der Kindergeldbezieher bewerten den Beitrag des Kindergeldes zum Familieneinkommen als sehr wichtig. Für Familien attraktiv sind die Höhe des Kindergeldes und dessen verlässliche, regelmäßige und unbürokratische Auszahlung.

Der Familienbund begrüßt die sozial gerechte Wirkung der Kindergelderhöhung. Das Kindergeld ist insbesondere für Familien mit unteren und mittleren Einkommen eine wichtige Unterstützung. Dadurch, dass das Kindergeld mit dem steuerlichen Kinderfreibetrag verrechnet wird (vgl. § 31 S. 1 und 2 EStG), profitieren insbesondere Familien vom Kindergeld, bei denen sich der Steuerfreibetrag aufgrund geringer Einkommen nicht oder nur wenig auswirkt. Insgesamt vermeiden mehr als eine Millionen Familien durch das Kindergeld den Bezug von Arbeitslosengeld II. Neben der Subventionierung der Kinderbetreuung trägt das Kindergeld am stärksten zur Reduzierung von Familien- und Kinderarmut bei, insbesondere bei Familien mit mehr als zwei Kindern und bei Familien mit Kindern unter drei Jahren. Zu kritisieren ist allerdings, dass Familien im Grundsicherungsbezug nicht von der Kindergelderhöhung profitieren, da das Kindergeld voll auf die Grundsicherung angerechnet wird.

Die Kindergelderhöhung ist auch der Höhe nach angemessen. Denn im Zeitraum zwischen 2010 und 2018 wurde das Kindergeld mehrfach nur minimal erhöht. 2015 um vier Euro und 2016 bis 2018 um jeweils zwei Euro pro Kind und Monat. Aufgrund der – momentan zwar nicht besonders hohen, aber nichtsdestotrotz realen – Inflation handelt es sich beim Kindergeld um eine in der Kaufkraft sinkende Familienleistung. Daher sind in dieser Legislaturperiode größere Erhöhungen erforderlich. Die zum 1. Juli 2019 erfolgte Kindergelderhöhung um 10 Euro hat noch nicht einmal die Kaufkraft des Kindergeldes von 2010 wiederhergestellt. Mit der zum 1. Januar 2021 geplanten Erhöhung um 15 Euro ist voraussichtlich erstmals wieder eine reale Kindergelderhöhung verbunden (bezogen auf 2010). Die Erhöhung ist richtig und gut, aber für die Familien auch kein großer Sprung nach vorne.

Der Familienbund fordert eine Anhebung des Kindergeldes auf die maximale Entlastungswirkung des steuerlichen Gesamtkinderfreibetrags (inkl. BEA). Diese beträgt unter Berücksichtigung der geplanten Freibetragserhöhungen rund 315 Euro. Dann wäre die Entlastung pro Kind bei allen Familien gleich. Zudem befürwortet der Familienbund eine Strukturreform von Kindergeld und Kinderzuschlag.  Der Verband hat ein eigenes Modell zur Kindergeldreform vorgelegt, das armutsgefährdete Familien stärker unterstützt und das bisherige Kindergeldmodell konsequent entflechtet: Die steuerliche Freistellung des Kinderexistenzminimums wird unabhängig vom Kindergeld über einen monatlich zu berücksichtigenden Steuerfreibetrag gewährleistet, während das Kindergeld nur der Familienförderung dienen soll. Es unterstützt diejenigen Familien besonderes stark, die durch die steuerlichen Freibeträge nicht entlastet werden: mit einem Betrag in Höhe der Summe von Kindergeld und Kinderzuschlag (jeweils aktuelle Werte). Mit steigendem Einkommen und stärkerer Entlastung durch die Steuerfreibeträge wird das Kindergeld moderat reduziert. Das Kindergeld soll nicht vollständig auf die Grundsicherung angerechnet werden, um die Erziehungsleistung aller Familien zu berücksichtigen. Das Kindergeld des Familienbundes ist somit sozial gerecht und sorgt für Klarheit, in welcher Höhe Familien vom Fiskus echte Förderung bekommen.

 

III. Kinderfreibetrag

Der Familienbund begrüßt, dass neben dem Kindergeld auch der Kinderfreibetrag erhöht wird. An dem seit den 90er-Jahren geltenden Grundsatz, dass das Kindergeld und der Kinderfreibetrag immer gleichzeitig erhöht werden, ist nach Auffassung des Familienbundes festzuhalten. Diese Verknüpfung gewährleistet, dass alle Familien von Erhöhungen profitieren. Die Erhöhung des Gesamtfreibetrags für Kinder (inklusive des für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vorgesehenen Teils) von derzeit insgesamt 7.812 Euro auf 8.388 Euro für jedes berücksichtigungsfähige Kind entspricht einer betragsmäßigen Erhöhung um 576 Euro und einer prozentualen Erhöhung um 7,4 %. Die prozentuale Erhöhung entspricht derjenigen der geplanten Kindergelderhöhung für das erste und zweite Kind von 204 auf 219 Euro. Der Gesetzentwurf setzt also die Koalitionsvereinbarung schlüssig um.

Dass die Erhöhung des Gesamtfreibetrags jeweils zur Hälfte auf den Kinderfreibetrag und den Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes (BEA) verteilt werden soll (Erhöhung um jeweils 288 Euro), erscheint ebenfalls nachvollziehbar. Ausdrücklich zu begrüßen ist, dass der Gesetzgeber erstmals seit zehn Jahren wieder den BEA-Freibetragsteil erhöhen will. Dieser Freibetrag steht den Familien aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu und muss wie alle steuerlichen Freibeträge regelmäßig angepasst werden. Da dieser Freibetrag viele Jahre nicht erhöht wurde, ist es auch angemessen, diesen prozentual stärker zu erhöhen als den Kinderfreibetrag.

Der Familienbund begrüßt, dass der Gesetzgeber bei der Freibetragserhöhung voraussichtlich über die Vorgaben des für den Herbst 2020 zu erwartenden 13. Existenzminimumberichts hinausgeht. Dem Gesetzgeber ist es unbenommen, den Freibetrag für Kinder aufgrund einer politischen Entscheidung über das verfassungsrechtlich zwingend vorgeschriebene Mindestmaß hinaus anzuheben. Zudem ist der Familienbund der Auffassung, dass das Existenzminimum für Kinder in den Existenzminimumberichten zu niedrig angegeben wird. Daher fordert er seit Jahren eine Neuberechnung und realitätsgerechte Bewertung der Mindestkosten für Kinder. Bei einer sachgerechten Neuberechnung läge der Gesamtkinderfreibetrag über dem jetzt vorgesehenen Betrag.

 

IV. Kalte Progression

Dass der Gesetzgeber die kalte Progression für die Veranlagungszeiträume 2021 und 2022 beseitigt, indem die Eckwerte des Einkommensteuertarifs nach rechts verschoben werden, hält der Familienbund für richtig, aber nicht für ausreichend. Wenn Lohnerhöhungen nur die Inflation ausgleichen und zu keiner Steigerung der Kaufkraft führen, ist eine höhere Besteuerung nicht gerechtfertigt. Genau das geschieht aber nach dem gegenwärtigen Steuersystem. Der die Inflation nicht berücksichtigende Steuertarif führt zu versteckten Steuererhöhungen und viele Steuerzahler erleben, dass trotz (nominaler) Lohnerhöhung die Kaufkraft sinkt. Die kalte Progression trifft alle Steuerzahler, aber aufgrund des nichtlinearen und im unteren Einkommensbereich steiler ansteigenden Steuertarifs insbesondere solche mit kleinen und mittleren Einkommen. Der Familienbund fordert, dass der Gesetzgeber diese offenkundige Ungerechtigkeit und diesen Verstoß gegen das Prinzip der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit beendet. Die kalte Progression muss durch einen sogenannten „Tarif auf Rädern“, d.h. eine automatische Anpassung des Steuertarifs entsprechend dem Durchschnitt der Lohnsteigerungen („Tarifindex“), endgültig beseitigt werden.

 

Berlin, Juli 2020
Familienbund der Katholiken

 

 

Koalitionsvertrag 2018, Z. 697 ff.

Corona-Folgen bekämpfen, Wohlstand sichern, Zukunftsfähigkeit stärken, Ergebnis Koalitionsausschuss 3. Juni 2020.

Endbericht der Gesamtevaluation der ehe- und familienbezogenen Maßnahmen und Leistungen in Deutschland (2014), S. 57.

Endbericht der Gesamtevaluation (2014), S. 376.

Endbericht der Gesamtevaluation (2014), S. 376.

Positionspapier: Das reformierte Kindergeld des Familienbundes der Katholiken, vgl. https://www.familienbund.org/sites/familienbund.org/public/familienbund_positionspapier_kindergeld.pdf.

BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 10. November 1998, Az. 2 BvR 1057/91, vgl.  https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/1998/11/rs19981110_2bvr105791.html

So die Einschätzung des Bundesfinanzministeriums, vgl. S. 2, Gliederungspunkt C des Entwurfs.