Presseschau des Tages // 12.10.2023

· Presseschau

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat anlässlich der Verleihung des Deutschen Schulpreises mit deutlichen Worten den Zustand des Bildungssystems kritisiert. "Wir sind weit, viel zu weit davon entfernt, dass jedes Kind die Unterstützung bekommt, die es braucht", sagte das Staatsoberhaupt am Donnerstag in Berlin. Es herrschten Mangel, Ungerechtigkeit und riesige Klassenunterschiede in den Schulen. Es sei zwar nicht Aufgabe des Bundespräsidenten, sich in tagespolitische Debatten einzumischen. Er könne und dürfe aber nicht neutral sein, "wenn es um die Zukunft unseres Landes und unserer Demokratie geht".

Deutschland lasse Talente verkümmern und frustriere junge Menschen, da sie keine faire Chance auf einen Aufstieg durch Bildung hätten, so der Bundespräsident. Vor dem Hintergrund von Fachkräftemangel, einem Verfall der Debattenkultur und einem Rückgang des Vertrauens in die Demokratie sei dies "grotesk".

Der Bundespräsident nannte es "dramatisch", dass jedes fünfte Kind am Ende der Grundschule nicht gut lesen, schreiben oder rechnen kann sowie zehntausende Jugendliche die Schule jährlich ohne Abschluss verließen. Auch sei seit Jahren bekannt, dass der schulische Erfolg eines Kindes in Deutschland besonders stark von seiner Herkunft abhänge. Das Schulsystem verschärfe zu oft soziale Unterschiede, statt sie auszugleichen. "Wenn wir so weitermachen, wird die Gruppe der Abgehängten von Jahr zu Jahr größer", warnte Steinmeier. "Das wäre beschämend, weil wir die Zukunft von hunderttausenden Kindern gefährden."

Steinmeier nannte die Schuldebatten "ritualisiert": "Eine Studie erscheint, der öffentliche Aufschrei ist groß, es werden Aufbrüche gefordert, Bildungsgipfel einberufen, Schuldzuweisungen gemacht - nur ändern tut sich wenig." Deutschland könne sich keine einzige schlecht funktionierende Schule leisten. Er forderte daher mehr Lehrer, Schulbegleiter und Sprachförderungskräfte sowie moderne Technik.

Zugleich kritisierte der Bundespräsident "gesellschaftliche Heilserwartungen" an die Schulen. "Wo immer Defizite im gesellschaftlichen Miteinander registriert werden - ob bei Sozialverhalten, der Integration, Umweltbewusstsein, Ernährungsfragen und vielem anderen mehr -, überall soll Schule aushelfen und andernorts Versäumtes nachliefern." Er dankte allen, die sich an Schulen und in Kitas engagierten: "Viele Lehrerinnen und Lehrer zerreißen sich, ich weiß das." (KNA)