Presseschau des Tages // 16.4.2021

· Presseschau

Nach Ansicht der EU-Generalanwältin müssen EU-Staaten eine Geburtsurkunde, die als Eltern eines Kindes zwei verheiratete Frauen nennt, zumindest teilweise anerkennen. Das Kind müsse seine Rechte als EU-Bürger wie beispielsweise Freizügigkeit wahrnehmen können. Dazu benötige das Kind ein Ausweisdokument. Im konkreten Fall müsse daher Bulgarien dem Kind, sofern es die bulgarische Staatsbürgerschaft hat, einen Ausweis ausstellen, der beide Frauen als Eltern nennt, heißt es in den am Donnerstag in Luxemburg veröffentlichten Schlussanträgen der Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof (EuGH), Juliane Kokott.

Im konkreten Fall sind eine Britin und eine Bulgarin in einer in Spanien ausgestellten Geburtsurkunde als Mütter eines Kindes genannt. Das Kind ist staatenlos. Die Bulgarin wollte für ihre Tochter einen bulgarischen Ausweis beantragen, wofür sie eine bulgarische Geburtsurkunde benötigt. Die bulgarischen Behörden verlangen dazu die Angabe der leiblichen Mutter, was die Frau ablehnte. Die Behörden argumentieren, dass eine Eintragung von zwei Frauen als Eltern in einer Geburtsurkunde gegen die öffentliche Ordnung verstoße, da Bulgarien keine gleichgeschlechtlichen Ehen erlaubt.

Die Generalanwältin betonte, das Recht auf Freizügigkeit in der EU schließe auch das Recht ein, "ein normales Familienleben sowohl im Aufnahmemitgliedsstaat als auch im Herkunftsmitgliedsstaat eines Unionsbürgers zu führen". Die beiden Frauen leben demnach mit dem Kind in Spanien als Familie zusammen. Eine Nicht-Anerkennung des Verwandtschaftsverhältnisses könne ein ernsthaftes Hindernis für das Familienleben in Bulgarien sein und die bulgarische Mutter davon abhalten, in ihr Herkunftsland zurückzukehren.

Einen Eingriff in nationales Familienrecht lehnte die Generalanwältin hingegen ab. Eine Geburtsurkunde müssten die bulgarischen Behörden dem Kind daher nicht ausstellen.

Zugleich gab die Generalanwältin zu bedenken, dass es fraglich sei, ob das Kind überhaupt die bulgarische Staatsbürgerschaft besitzt. Dazu müsste nach bulgarischem Recht die leibliche Mutter des Kindes Bulgarin sein. Diese Frage ist aber nicht geklärt. (KNA)